Klatschmohn
Ich bekomme ein wenig Mitleid. Daher überwinde ich mich und setze mich ebenfalls kurz hin. “Meine Mutter war auch nicht sofort tot, falls du das nicht ohnehin weisst. Die Kugel des Zweibeiners hatte sie allerdings so schwer verletzt, dass ich ihr nicht helfen konnte. Ich konnte nur bei ihr bleiben, bis sie von ihrem Leiden erlöst war.“ Ich schaue Habichtsturz in die Augen: “Falls du keine Lösung findest, schenke ihr deine Nähe, bis sie ihren letzten Atemzug nimmt. Manchmal müssen geliebte Katzen uns auf Ewig verlassen, so ist das echte leben.“ Ich erhebe mich wieder: “Ich hoffe für dich, dass du erfolgreicher bist, als ich es bei meiner Mutter gewesen bin.“ Mit diesen Worten verlasse ich den Bau und gehe zu der anderen Katze: “Bringst du mich zurück?“

Schattenschwinge
Es ist seltsam still um mich herum, fast totenstill und nichts, außer eine tiefende, wärmeraubende Schwärze ist zu sehen. Ich erzittere und bekomme Panik, als ich versuche die Orientierung wieder zu erlangen. Bin ich tot? Fühlt sich so der wirklich letzte Atemzug an? Ich versuche zu rennen, meine Schritte zu beschleunigen, aber ohne Erfolg. Meine Glieder sind steif und schwer. Mir ist kalt. Ich schließe die Augen, zumindest denke ich, dass ich sie schließe, denn alles sieht genauso aus, als hätte ich die Augen offen. Ich versuche mich an die winzigen Sonnenstrahlen zu erinnern, die es vor einer gefühlten Ewigkeit zu mir geschafft hatten. Allerdings viel zu schwach, um mich wirklich zu erreichen. Aber es misslingt mir. Zu meiner Bestürzung kann ich mich nicht einmal erinnern wie es sich angefühlt haben muss. Was passiert nur mit mir? Es vergehen weitere Herzschläge, oder Sonnenaufgänge, vielleicht sogar Monde. Ich verliere jegliches Zeitgefühl, die Erinnerungen schwinden mir immer mehr. Wer bin ich? Was will ich hier? WO bin ich`? Die fragen kreisen unaufhörlich in meinem Kopf und je mehr ich versuche, mich an etwas zu erinnern, desto mehr vergesse ich. Als würde ich mit meinen Anstrengungen ein schwarzes Loch nähren. Erschöpft sinke ich in mir zusammen, gebe die Hoffnung langsam auf...
PLötzlich, wieder diese Sonnenstrahlen, doch diesmal um einiges intensiver. Ich versuche mich zu bewegen. Und tatsächlich, ich schaffe es, die Krallen ein und auszufahren. Ich kann atmen! Und ich spüre meine Krallen! Ich kann sie sogar ein und ausfahren! Begeistert wie ein Junges fahre ich die Krallen immer wieder ein und aus. Der Übermut erfässt mich und ich versuche, meinen Fuß zu bewegen. Traurig sinke ich wieder in mir zusammen. Die Kraft fehlt mir einfach. Mein Blick hängt wieder an den Sonnenstrahlen. Bitte kommt näher! Helft mir doch!

Schattenschwinge
Das Licht wird heller. Ob es meine Bitte gehört hatte? Zaghaft versuche ich ein zweites Mal meine Pfoten zu bewegen - und es klappt! Mit aller Kraft schaffe ich es sogar, mein Bein wenige Haarlängen zu bewegen! Erleichtert atme ich auf. Vielleicht schaffe ich es ja doch! Ich hefte meinen Blick fest auf die Strahlen, als könnte ich sie so festhalten und ihre Wärme in mich aufsaugen.

Schattenschwinge
Aufgeregt peitsche ich mit dem Schwanz. JA, ich kann mit dem Schwanz peitschen! Gierig sauge ich die Energie immer weiter in mich auf und sie erfüllt mich, als würde die Liebe meines Lebens bei mir sein. HAbichtsturz? Sei Name wirbelt in meinem Kopf herum und plötzlich kehrt die Erinnerung an ihn zurück und damit auch an meine Kinder, Enkel und Urenkel - an meine Familie. Endlich schaffe ich es, meinen müden, ausgelaugten Körper zu erheben. Zittrig zwar, aber dennoch ein so gewaltiger Fortschritt, dass mir ein triumphierender Jauchz über die Lippen kommt. Nach und nach teste ich die einzelnen Muskelgruppen, in dem ich sie nacheinander anspanne und wieder entspanne, bevor ich den ersten Schritt wage. Ich schaffe es! Zuversichtlich schiebe ich vorsichtig eine Pfote vor die andere, als müsse ich das Gehen erstmal wieder lernen, aber es funktioniert! Leises Murmeln dringt an mein Ohr und motiviert mich weiter, öffnet mein Herz, bis ich mich letztendlich an meine ganze Geschichte erinnern kann. Bilder zucken hinter meinen Augenlidern durch meinen Kopf, meine ganze Lebensgeschichte und ich folge ihr gespannt. Denke an meine Freunde, an Wolfstern, an meinen Gefährten Sonnenpelz, an meinen Sohn Frostkralle und dann an Habichtsturz und die riesige Familie, die wir zusammen auf die Welt losgelassen haben. Seltsamer weise stehe ich wieder und starre mit offenem Mund wie in Trance das immer intensiver werdende Licht an. Benommen schüttel ich den Kopf und zwinge meinen Körper sich weiter zu bewegen, zuerst langsam, aber bald schaffe ich es zu rennen. Ich fliege durch die Finsternis, das Licht als einziger Orientierungspunkt, gemeinsam mit Erinnerungen, die mich innerlich erfüllen. Plötzlich dringen besorgte Worte an mein Ohr, Worte von meinem Sohn Blutnacht. Mein Herz macht einen Sprung und endlich verschwindet die Schwärze...
Erschöpft öffne ich wieder die Augen. Überrascht stelle ich fest, dass ich diesmal wirklich etwas sehe, nicht nur schwarz und dieses Licht, obwohl mich die Helligkeit blendet, nehme ich Konturen wahr. An mich drücken sich zwei Gestalten, ihr Geruch verrät mir, dass es sich um Habichtsturz und Blutnacht handelt. Panik überkommt mich. Ist mein Sohn gestorben? Ich will meinen Kopf in seine Richtung drehen, aber dazu fehlt mich die Kraft. Mein Mund ist staubtrocken und verhindert, dass es die Worte, die in meinem Hals stecken, es über meine Lippen schaffen.

Schattenschwinge
Mir wird warm ums Herz, als sein Gesicht vor mir auftaucht. Ein leises, holpriges Schnurren dringt aus meiner Kehle. Am liebsten würde ich mich an ihn drücken, aber dazu fehlt mir noch die Kraft. Wielange ich wohl weg war? Die Frage kreist mir durch den Kopf. Ich halte meinen Blick fest auf meinen Gefährten gerichtet, aus Angst, wieder in die tiefe Schwärze zurückgezogen zu werden.

Schattenschwinge
Ich drücke mich enger an ihn. Mein Mund ist immer boch staubtrocken und ich konnte ihm nicht sagen, wie froh ich bin, bei ihm zu sein. Hoffentlich würde mir sowas nie wieder passieren.

Schattenschwinge
Dankbar blinzel ich Blutnacht zu, bevor ich mich durstig über das Moos hermache. Als ich genug getrunken habe, schaue ich auf. “Danke, dass ihr hier seid.“ Ich atme tief durch, sprechen ist doch noch recht anstrengend: “Besonders dein Besuch hat mich überrascht.“, necke ich Blutnacht. “Wie hast du uns gefunden?“ Mein Blick gleitet hungrig zur Maus. Gierig schlage ich meine Zähne in das Fleisch, während ich auf seine Antwort warte.

Schattenschwinge
Gebannt lausche ich Blutnachts Ausführungen über seine Reise, froh, selbst nicht soviel reden zu müssen, da ich immer.noch sehr erschöpft bin. Trotzdem genieße ich die gemeinsame Zeit mit meiner Familie. “Passt du gut auf Klatschmohn auf?“, bitte ich meinen Sohn. “Dämmerstern konnte nur eins ihrer Junge davon abhalten, auf den falschen Pfaden zu wandeln. Ich habe Angst, sie könne sich noch verirren.“, erkläre ich meine Bedenken.

Schattenschwinge
Ich zucke belustigt mit den Schnurrhaaren. “Mich wundert es ohnehin, dass sie von uns weiß. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie wirklich an uns glaubt.“ Zaghaft versuche ich aufzustehen und teste, in wie weit ich in der Lage bin, mein Gewicht zu tragen. Dann blicke ich meine beiden Jungs an. wOrauf wartet ihr noch. Wir begleiten dich noch raus.“

Schattenschwinge
Ich drücke mich nochmal fest an meinen Sohn. “Sag Morgenlicht und Frostkralle einen lieben Gruß von mir. Ich hoffe sie sind wohl auf!“, bitte ich ihn. Dann setze ich zum Dank an: “Ich weiß deine Rettung aus der Finsternis übrigens sehr zu schätzen.“ Liebevoll gebe ich ihm einen Klapps mit dem Schwanz.

Schattenschwinge
Ich schnurre glücklich während ich Blutnacht hinterher schaue. “Siehst du, nicht alle deine Nachkommen sind böse.“ Ich blecke spielerisch die Zähne, muss mich allerdings gleichzeitig an meinen Gefährten lehnen.