Klatschmohn
Panik breitet sich in mir aus, als der Adler mir ins Wasser folgt. Automatisch schnappe ich nach Luft. Erschrocken bemerke ich, wie sich meine Lunge mit Wasser füllt. Hektisch paddel ich mit meinen Pfoten im Wasser und erreiche im letzten Herzschlag hustend und spuckend die Oberfläche. Den Baum, unter dem wir uns versteckt hatten, kann ich kaum noch am Horizont erkennen. Mit schmerzenden Muskeln versuche ich gegen die Strömung anzukämpfen und den großen Vogel ausfindig zu machen. Erst als ich ein wütendes Fauchen höre, drehe ich mich in die Fließrichtung um und sehe Blutnacht, wie er wild mit dem Adler im Wasser kämpfen. Fuchsdung, wie kann sich das Vieh solange über Wasser halten?! Ich ändere die Richtung meiner Anstrengungen und eile Blutnacht zur Hilfe, wobei ich den stechenden Schmerz in meiner Lunge ignoriere.

Klatschmohn
Ich schüttel ungläubig mit dem Kopf. Wie soll ich bei der Strömung an gleicher Stelle bleiben? Stattdessen folge ich Blutnacht außer Atem an Land und helfe ihm von oben den Adler aus dem Wasser zu ziehen. Der Wind pfeift uns kalt um die Ohren und ich spüre ihn durch das nasse Fell hindurch tief in die Knochen. Misstrauisch fasse ich die neue Umgebung ins Auge. Der Fluss hat uns wieder ein gutes Stück bergab gespült, allerdings in eine ganz neue Gegend. “Wir sollten uns zuerst ein windstilles Versteck suchen, bevor wir noch krank werden oder ein zweitet Adler kommt.“, krächze ich schwach.

Klatschmohn
Ich nicke und schnappe mir den Adler, damit Blutnacht seine Verletzungen schonen kann. Bald finden wir ein dickes Dickicht, in dem wir uns ein wenig schützen können. Ich lege den Adler vor Blutnachts Pfoten ab. “Hier, du bekommst den ersten Bissen.“

Klatschmohn
“Lass mir was übrig, bin gleich wieder da!“, erwidere ich mit einem besorgten Blick auf sein Bein. Am Ufer hatte ich ein paar Ringelblumen gesehen. Sie waren zwar bereits verwelkt, aber sie müssten dennoch wirken. Besser als gar nichts! Ich nahm sie vorsichtig in den Mund und bringe sie zu Blutnacht. “Mutter hat mir gezeigt, wie man Wunden verarbeitet.“, erkläre ich schnell. Dann zerkaue ich die welke Pflanze und spuke den Brei auf die große Wunde, die Blutnacht zuvor sauber geleckt hatte. Zwischen den Ästen im Gebüsch hatten einige Spinnen ihre Nester gebaut. Ich sammel die Weben mit einem Ast ein und verbinde damit die Wunde, um den Blutverlust zu mindern und um das Eindringen von Keimen zu minimieren.

Klatschmohn
“Bewegung ist bei der Kälte aufjedenfall besser. Hier möchte ich nicht lange bleiben, als nötig.“ Ich rümpfe die Nase und schaue mich argwöhnisch um, bevor ich mich erschöpft nieder lasse und mir die letzte Nässe aus dem Fell lecke. “Aber jetzt Ruhe dich aus, bis ich meinen Teil vom Adler gefressen habe. Wenn du noch Hunger hast, kannst aber auch nochwas von meinem Teil fressen.“, biete ich an. Dann schlage ich hungrig meine Zähne in das unerwartet zarte Fleisch. Der intensive Geschmack des Vogels breitet sich wohltuend zuerst in meinem Mund und anschließend in meinem Bauch aus. Genüsslich lasse ich die nächsten Bissen in meinem Mund zergehen.

Klatschmohn
Spöttisch ziehe ich die Lefzen hoch. “Sag das nicht mir, du schwer Verletzter.“ Elegant springe ich auf und laufe voraus, nur um wenige Herzschläge später mein Tempo wieder zu verzögern, damit Blutnacht aufholen und mir den Weg weisen kann.

Klatschmohn
Ich drehe verspielt die Augen. “Anders ist das Leben auch nicht lebenswert oder?“ Liebevoll schnippse ich mit meiner Schwanzspitze gegen sein Ohr. Im gemächlichen Tempo folgen wir einen schlecht ausgetretenen Pfad, bis wir eine Gabelung erreichen. “Und jetzt?“

Klatschmohn
Überrascht reise ich die Augen auf. “Das wir so nah sind hätte ich nicht erwartet! Ich freue mich schon so!“ Vor meinem inneren Auge stelle ich mir vor, wie Dämmerstern zwischen uns wandern. Verwundert schüttel ich den Kopf. Es ist wirklich seltsam, dass meine Fellfarbe der von Blutnacht mehr ähnelt, als von meiner Mutter.

Klatschmohn
Ich genieße einige Atemzüge die Aussicht und biete Blutnacht die Gelegenheit, sich zu erholen. Allerdings setzt bereits die Dämmerung ein. “Lass und noch ein wenig weiter, bevor es zu dunkel wird.“, dränge ich.

Klatschmohn
Ich verdrehe die Augen und gehe näher an seiner Seite, damit er sich zur Not abstützen kann. “Halt wenigstens noch bis zu einem Unterschlupf durch.“, motiviere ich ihn.

Klatschmohn
Besorgt werfe ich einen Blick hoch in den Himmel, in dem sich schon wieder dunkle Wolken zusammenbrauen. Neben uns gehen die Wände steil nach oben, wie haben keine Chance uns Deckung zu suchen. Ich atme angespannt aus. Das Ende der Klamm ist bereits in Sicht, aber dennoch ein gutes Stück entfernt. “Blutnacht,schau dir mal den Himmel an.“, warne ich ihn.

Klatschmohn
Ich ziehe skeptisch die Nase kraus. “Meinst du der Schnee ist dazu fest genug?“ Die ersten Flocken fallen und legen sich kalt auf meinen Rücken. “Mäusedreck, dann lass es uns eben versuchen.“, knurre ich mürrisch, als mir klar wird, dass wir keine andere Wahl haben.